Thema: Trittfrequenz
Ein interessantes Thema im Rad-Sport ist die Trittfrequenz. Hierzu gibt es viele Fachleute und ebenso viele Meinungen. Immer wieder wird die Aussage gemacht: Es gewinnt derjenige, welcher schneller tritt. Und trotzdem gibt es Athleten, welche mit tiefer Kadenz Weltmeister wurden. In einem sind sich die Wissenschaftler von heute einig: Eine hohe Trittfrequenz ist energetisch hoch effizient. Drei Gründe sollen dafür sprechen:
1. Wenn sich Anspannung und Entspannung des Muskels schneller folgen und damit die Phasen der Anspannung kürzer sind, dann wird der Blutfluss im Muskel weniger gestört. Ein kontrahierter, also angespannter Muskel, drückt die Adern zusammen. Das Blut kann in dieser Zeit nur noch beschränkt zirkulieren und einerseits dem Muskel Sauerstoff zuführen und andererseits Abfallstoffe wie Laktat abführen. Wer schneller tritt, lässt das Blut besser zirkulieren.
2. Wer schneller kurbelt, macht mit dem Pedal mehr Weg und braucht daher weniger Kraft.Denn erst Kraft x Weg = Leistung. Die Leistung bestimmt, wie schnell ein Fahrer unterwegs ist, nicht die Kraft alleine, mit der man in die Pedale tritt. Erst zusammen mit der Umdrehungsgeschwindigkeit wird aus der Kraft Leistung. Wer mehr Kurbelumdrehungen macht, also mehr Weg, kann mit weniger Kraft auf dem Pedal dieselbe Leitung erbringen. Das heisst, wer schneller kurbelt, belastet Muskulatur und Gewebe weniger.
3. Wer mit viel Kraft und tiefer Kadenz tritt, braucht mehr Muskelfasern als wenn er schneller, dafür lockerer treten würde. Die langsamen Muskelfasern reichen beieinem grossen Krafteinsatz nicht mehr aus, da müssen auch die schnellen mobilisiert werden. Eine Studio der Universität Wisconsin zeigte: Ob man mit 50 oder 100 Umdrehungen pro Minute fährt, die Anzahl langsamer Muskelfasern ist in beiden Fällen etwas gleich gross. Doch bei nur 50 Umdrehungen müssen zusätzlich schnelle Muskelfasern eingesetzt werden. Nicht primär die Geschwindigkeit einer Muskelkontraktion, sondern die maximal geforderte Kraft bestimmt die Zusammensetzung der eingesetzten Muskelfasern. Das Problematische an schnellen Muskelfasern: Sie produzieren mehr Milchsäure (Laktat). Und diese ist für die Leistung des Muskels Gift.
Und doch herrscht nicht nur Einigkeit bei der Wahl der Trittfrequenz. Gerade bei Triathleten beobachtet man häufig eine relativ tiefe Trittfrequenz. Die Ausnahme bestätigt die Regel, doch allgemein gilt: Je länger eine Belastung dauert, umso klarer spricht die geringere Muskelbelastung für die hohe Trittfrequenz. Selbst in Steigungen gilt: je schneller man kurbelt, umso schneller fährt man langfristig. Doch leicht gesagt, die Schwerkraft fordert ihren Tribut.
Wer mit hoher Trittfrequenz fahren will, muss sich diese Fähigkeit zuerst erarbeiten. Der Radfahrer tritt nicht nur mit den Beinen. Er tritt auch mit dem Hirn. Das Hirn gibt die Befehle, die Beine führen aus. So muss der Radfahrer sowohl die Muskulatur an die hohe Trittfrequenz gewöhnen wie auch die neurologischen Voraussetzungen schaffen. Er muss also auch dem Hirn die schnelleren Bewegungen eintrichtern. Mit 110 Umdrehungen pro Minute über mehrere Stunden zu fahren ist für viele ohne spezifisches Training kaum möglich. Auch wenn sie es wollten. Und bereits kurzfristig hohe Umdrehungszahlen lassen den Untrainierten wie ein Ball im Sattel herumhüpfen.
Quelle: Fit for Life, März 2006 (Kompletter Artikel ist erhältlich unter: Fit for Life)